Das Freilichtmuseum Diesdorf wurde bereits 1911 begründet und ist damit eines der ältesten volkskundlichen Freilichtmuseen in Deutschland. Der Diesdorfer Landarzt Dr. Georg Schulze (1866-1955) gründete in diesem Jahr mit 20 engagierten Bürgern und Landwirten einen Wohlfahrtsverein.

Dr. Georg Schulze (1866-1955)
Aufgrund seiner humorvollen Volksnähe und seines sozialen Engagements war der Landarzt bei der Bevölkerung ungemein populär und wurde bereits zu Lebzeiten respektvoll „Dr. Voader“ genannt.

Der Wohlfahrtsverein kaufte von der Kirchengemeinde eine ca. 7 ha große, weitgehend ungenutzte Fläche am Ortsrand Diesdorfs, grub den dort verlandeten Klosterteich wieder aus und legte hier einen Badeteich an. Rasch entstand der Plan, daneben auch einen typisch altmärkischen Bauernhof zu errichten, in dem als Heimatmuseum Sachzeugnisse zur bäuerlichen Arbeits- und Lebenswelt der Altmark ausgestellt werden sollten.

Nicht nur das Heimatmuseum wuchs über die folgenden Jahrzehnte. Auch der Badeteich wurde zu verschiedenen Zeiten umgestaltet und erfreut sich heute als Erlebnisbad großer Beliebtheit.

Badeteich um 1920
Badeteich um 1920
 
 
Backhaus, Speicher und Hallenhaus
Die ersten Gebäude im Museum: Backhaus, Speicher und Hallenhaus

Eifrig sammelten Georg Schulze und seine Mitstreiter landwirtschaftliche Geräte, Möbel, Geschirr und Hausrat in den umliegenden Dörfern und betrieben erfolgreich Öffentlichkeitsarbeit, um Spendengelder einzuwerben.

Als erstes Gebäude konnte so schon 1912 das Backhaus umgesetzt werden, es folgte ein Speicher im Jahr darauf, bevor der weitere Ausbau durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen wurde.

Das angesammelte Kapital ging im Krieg und in den Inflationsjahren verloren, so dass erst 1927 ein niederdeutsches Hallenhaus als Hauptgebäude des neuen Museums erworben werden konnte. 1932 konnte das Diesdorfer Heimatmuseum schließlich eröffnet werden.

Die Kriegs- und Nachkriegszeiten überstand das Museum weitgehend unbeeinträchtigt. Die Gemeinde Diesdorf übernahm Museum und Badeanstalt und ließ 1951 auf dem Gelände ein Wohnhaus für den Hausmeister errichten, in dem auch ein Café für die Gäste untergebracht war.

1952 wurden Freibad und Museum schließlich getrennt: das Bad verblieb bei der Gemeinde Diesdorf, während das Heimatmuseum dem Kreis Salzwedel unterstellt wurde, der es dem Johann-Friedrich-Dannneil-Museum angliederte, das als Kreisheimatmuseum ebenfalls 1932 eröffnet worden war.

Peter Fischer beim Richtfest des Pferdestalls aus Eversdorf 1982
Peter Fischer beim Richtfest des Pferdestalls aus Eversdorf 1982

Museumsdirektor war zunächst der aus Köln stammende Kunstmaler Paul Waligora (1907-1968). Ihm folgte 1970 der junge Museologe Peter Fischer (1943-1996), der als zweiter Gründungsvater des Freilichtmuseums angesehen werden kann.

Unter seiner Leitung wuchs das Museum von drei auf 17 Gebäude an und die Besucherzahlen stiegen von 3.000 auf über 20.000 im Jahr. Zudem stellte Peter Fischer, der zwischen 1974 und 1977 noch ein Fernstudium der Ethnographie an der Berliner Humboldt-Universität absolvierte, die Museumsarbeit auf eine neue wissenschaftliche Grundlage. Als Hausforscher und Volkskundler legte er grundlegende Studien zur Bau- und Alltagsgeschichte der nordwestlichen Altmark vor.

Dipl. Ethnograph Peter Fischer (1943-1996)
Dipl. Ethnograph Peter Fischer (1943-1996)
 
 
Freilichtmuseum Diesdorf Werbeplakat alt
Freilichtmuseum Diesdorf Werbeplakat

In seinem 1973 erstmals vorgelegten, bis in die 1990er Jahre mehrmals modifizierten Konzept zur Zukunft des Freilichtmuseums, hatte er die Errichtung von insgesamt 36 Wohn- und Wirtschaftsgebäuden, angeordnet zu neun Baugruppen vorgesehen. Hierzu wurden zahlreiche Gebäude für das Museum angekauft, abgebaut und auf dem Museumsgelände eingelagert.

Ausbau des Museums unter Peter Fischer, Aufnahme 1982
Ausbau des Museums unter Peter Fischer, Aufnahme 1982

Peter Fischer gelang es nicht nur, Geld und Material für die Errichtung neuer Gebäude zu organisieren, auch das Museumspersonal wurde spürbar aufgestockt.

Neben Verwaltungs- und Kassenkräften wurden 1985 schließlich eigene Museumshandwerker sowie ein Agraringenieur angestellt. Noch 1989 wurde das Freilichtmuseum aus dem Verbund mit dem Danneil-Museum gelöst und wieder eigenständig.

Errichtung des „Dorfkruges“, Aufnahme 1992. Heute dient das repräsentative Gebäude u.a. als Haupteingang und Museumscafé.
Errichtung des „Dorfkruges“, Aufnahme 1992. Heute dient das repräsentative Gebäude u.a. als Haupteingang und Museumscafé.

Die politische Wende läutete auch für das Freilichtmuseum eine neue Epoche ein. Zahlreich strömten nun Gäste nicht nur aus dem benachbarten Niedersachsen ins altmärkische Museumsdorf.

Viele lang geplante Bauprojekte konnten verwirklicht werden, darunter die Errichtung des „Dorfkruges“ als Museumsgastronomie.

Winkelstedter Hallenhaus mit historischem Garten
Winkelstedter Hallenhaus mit historischem Garten

Auch nach dem frühen Tod Peter Fischers wurde unter Christiane Lehmann (1998-2002) und Friedhelm Heinecke (2002-2015) der Ausbau des Museums fortgesetzt. Heute besteht das Freilichtmuseum Diesdorf aus 25 historischen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden, die zusammen den Eindruck eines altmärkischen Dorfes vermitteln.

Hinzu kommen fünf historische Gärten sowie Feldflächen, auf denen Getreide, Kartoffeln und Hopfen angebaut werden. Detailgetreu nachgestellte Werkstätten und Wohnräume vermitteln einen lebendigen Eindruck des Lebens früherer Generationen, hinzukommen thematische Ausstellungen, etwa zur Weberei und Flachsverarbeitung, zur Archäologie oder zur Geschichte des Böttcher- und Küferhandwerks. Im November 2015 übernahm Dr. Jochen Alexander Hofmann die Leitung des Freilichtmuseums.

Seit 1998 gehört das Freilichtmuseum Diesdorf gemeinsam mit dem Johann-Friedrich-Danneil-Museum Salzwedel und der Langobardenwerkstatt Zethlingen zum Verbund der Museen des Altmarkkreises Salzwedel.

Zur Geschichte Diesdorfs

Der über 900 Jahre alte Flecken Diesdorf in der Altmark ist der Hauptort des nordwestlichen Randgebiets der Altmark an der Grenze zu Niedersachsen, das aufgrund seiner kulturellen und sprachlichen Eigenheiten seit dem 19. Jahrhundert als „Hansjochenwinkel“ bekannt wurde.

Die von sanften Hügeln, dunklen Wäldern und sandigen Feldern geprägte Endmoränenlandschaft wurde bereits in der Jungsteinzeit erstmals besiedelt, wovon zahlreiche Großsteingräber zeugen.

Im Jahre 1112 erstmals erwähnt, erlangte Diesdorf größere Bedeutung durch das 1161 gegründete Kloster der Augustiner-Chorherren, das nach der Reformation als adliges Frauenstift bis 1810 fortbestand. Die romanische Klosterkirche St. Maria und Crucis ist heute Pfarrkirche des Ortes und kann besichtigt werden. Führungsanfragen nimmt das ev. Pfarramt entgegen (039002/327, [Bitte aktivieren Sie Javascript]). In der „Alten Darre“, einst Bau- und Backhaus des Klosters, sind seit einigen Jahren ein Heimatmuseum und eine Mehrzweckhalle untergebracht. Sehenswerte Kirchen befinden sich auch in den umliegenden Dörfern Dankensen, Dülseberg, Waddekath und Abbendorf.

Im 19. Jahrhundert ließen sich Handwerker und Gewerbetreibende in Diesdorf nieder, das so von einem Klosterdorf zu einem regional bedeutsamen Marktort wurde. Die historischen Gebäude des Ortskerns zeugen von dieser herausgehobenen Stellung.

Bis 1989/90 lagen die Dörfer um Diesdorf in unmittelbarer Nachbarschaft des Eisernen Vorhanges. Reste ehemaliger Grenzanlagen zeugen in einigen Orten noch von dieser dunklen Epoche der Geschichte. Als „Grünes Band“ bietet der ehemalige Todesstreifen heute Lebensraum für seltene Tiere und Pflanzen.